Diverses

Vom Lehm bis zum Ziegel

Vom Lehm bis zum (gebrannten) Ziegel

Das Wort Ziegel ist ein landläufiger Sammelbegriff für getrocknete bis hoch gebrannte keramische Mauersteine, Klinker und Fliesen, gebrannte bzw. glasierte Dachziegel sowie gehärtete lehmige bis tonige Zuschlagstoffe in Mörtel und Kunststein. Demnach können sie an den Wänden, Gewölben, Böden und Dächern aber auch an Schmucktafeln und Fertigteilen vorkommen, kurzum: Ziegel finden überall im Haus Verwendung. Beitrag von Patrick Schicht in: Ziegel in der Bauforschung (Teilentnahme aus: Denkmalpflege in Niederösterreich Lehm und Ziegel, Nr. 5/2008, Band 39, Seite 18).

Ziegelschlagen

Männerarbeit: Das Material (Lehm) wurde vom Tonlager auf die Gstättn (Gelände zum Zwischenlagern von Lehmmaterial) geführt. Der Ton mußte im Winter ausfrieren und wurde vom Schnee und Regen durchnässt; somit war er im Frühjahr gut knetbar. Männer brachten den Lehm in Scheibtruhen (die zur damaligen Zeit aus Holz mit Holzrädern bestanden) dann zum Schlagtisch.

Frauen am Schlagtisch mit vorbereitetem Lehmmaterial – für heutige Generationen nicht vorstellbar!
Bild entnommen aus: Ziegelwerke in Guntramsdorf 1618
1918, Seite 8; Autor Herr Ernst Wurth Guntramsdorf


Frauenarbeit: Die Ziegel wurden von den Frauen in eigene Formen geschlagen.
Eine gute Arbeitspartie brachte es bis zu 1.500 Ziegel im Tag! Mit einem sogenannten Streichbrett wurde der Lehm in die Form geschlagen. Schließlich wurde mit diesem Brett der Lehm glatt gestrichen. Auf der Rückseite der gebrannten Ziegel sieht man oft noch die Streifen von diesem Glattstreichen.
Zuerst wurde vom „Sandler“ (das waren Leute, die man zu keiner anderen Arbeit gebrauchen konnte) in die leere (hölzerne) Form Wellsand gestreut, damit der Lehm in der Form nicht haften blieb.
Kinderarbeit (heute unvorstellbar): Größere Kinder mussten im Sommer meistens schon um 3 Uhr (!!) aufstehen und im Werk fest mithelfen.
Die Ziegel wurden aus den Formen herausgestürzt und von den Kindern flach auf den Boden gelegt. Später auf die Schmalseite aufgestellt, um so das Trocknen zu erleichtern. Erst der übertrocknete Ziegel kam in den Trockenschuppen. Je nach Witterung blieb er hier 4 bis 6 Wochen, dann trat er erst die Reise in den Ringofen an.
Der sogenannte „Einscheiber“ vollbrachte diese Tätigkeit mit einem Schubkarren (diese waren anders gebaut, wie die Scheibtruhen).
Nach dem etwa eine Woche dauernden Brennvorgang, holte der „Ausscheiber“ die Ziegel wieder ans Tageslicht und bekam dafür einen höheren Lohn (durch den noch sehr warmen Ofen, mußte dieser auch mehr trinken als alle anderen Beschäftigten).


Der herrschaftliche Ziegelofen (im Ortsteil Mösel) mit Trockenschuppen wie er in etwa ausgesehen haben dürfte – nach den Erinnerungen von Frau Elisabeth Heussenstamm, gemalt von Herrn Anton Funiak im Juli 2003
 
Der Ringofen wurde 1858 vom Baumeister Hofmann erfunden und hatte den Vorteil, dass die Abwärme einer Kammer schon zum Aufwärmen der nächsten  Kammer verwendet werden konnte. So wurde der Brand billiger, als bei den vorher verwendeten „Feldöfen“, bei denen nur eine Kammer vorhanden war. Nach dem Brand mußte der Ofen erst erkalten, dann konnten die Ziegel herausgeholt und der nächste Brand vorbereitet werden.

Ziegelformat: Das Format der Ziegel war ursprünglich sehr verschieden.
Die Maße waren jedoch immer so gewählt, dass sie einander ergänzten (zwei Mal die Dicke ist ein Mal die Breite, zwei Mal die Breite ist ein Mal die Länge).
Es wurde nicht nach der Arbeitszeit, sondern nach den fertig gebrannten und brauchbaren Ziegeln bezahlt! Dazu hatten einige Werke sogar für ganze Arbeitspartie eine Nummer, die im Model befestigt war. So verhinderte man, dass die guten Ziegel von einer Partie zur anderen „wanderten“. Wer also beim Schlagen und Auflegen oder Verladen schlampig war, der verdiente weniger.
Gute Arbeit wurde gut bezahlt und daher war es notwendig, genau und rasch zu arbeiten.
Teilentnahme aus: Ziegelwerke in Guntramsdorf 16181918 (inklusive Bild: Ziegelschlagen war Frauenarbeit) von Ernst Wurth, Seite 8 bis 12 (mit eigenen Ergänzungen)

Ziegelbeschreibungen

  
Links erhabene Krone, rechts vertiefte

 
Ziegel im Altformat (ca. 28 x 14 x 7 cm), die eine neunzackige Krone aufweisen (= Graf) stammten aus dem herrschaftlichen Ziegelofen, der sich im Ortsteil Mösel befand. Es wurden aber auch Ziegel mit Krone/Buchstaben oder nur mit Buchstaben hier erzeugt.
Ziegel mit erhabenen Unterscheidungszeichen sind älter als die mit vertieften!



Ziegel mit kleiner Krone
 
  
Durch die Unterscheidungszeichen (1, 2, usw.) konnte man die Ziegeln der jeweiligen Schlagpartie zuordnen und so Unstimmigkeiten unter den Partien verhindern

Die Ziegel aus dem herrschaftlichen Ziegelofen trugen kleine und große Kronen (die große Krone auch zusätzlich Nr. 1, 2 und 3).
 

Herrschaft Zelking mit anders gestalteter Krone

   
Links Herrschaft Zelking (Krone oben), rechts Zelking Herrschaft
(Buchstaben verkehrt in der Model besfestigt ?)
Krone zwischen dem Z und H


H Z = Herrschaft Zelking, Z H = Zelking Herrschaft.

AHZ-Ziegel

AHZ = Allod Herrschaft Zelking (Herrschaft als freies Eigen).


 
   
Abdeckziegel für Gartenmauern (links für die Mauer, rechts für die Pfeiler)
 

Es gab auch Abgerundete Ziegelformate (klein 14 x 31 cm mit Z H und groß 18 x 47 cm mit H Z) für Abdeckungen von Gartenmauern bzw. Gartenpfeilern.


Zwei Ziegelbüchel


Ziegelbüchel von 1851

 
(Links) 2. Innenseite und rechts letzte Eintragungsseite (= Auflistung der gebrannten Ziegel)
Die (römische) Ziffer 1 bedeutet, dass 19.650 Ziegel der „Schlagpartie I“ zwischen dem 29. Juli und 2. September
und
die (römische) Ziffer 2, dass 10.300 Ziegel der „Schlagpartie II“ gebrannt wurden


Ziegelbüchel von 1852
Für die Abfuhren vom Matzleinsdorfer Ziegelofen, für Herrn Baumeister Schega (?) nach Krem
s

  
(Links) 2. Innenseite und rechts letzte Eintragung (= Auflistung der gebrannten Ziegel)
  Von der „Schlagpartie I“ wurden zwischen dem 11. Juni und 17. Juli 20.000 Ziegeln, von der „Schlagpartie II“ aber 25.000 gebrannt



„Pflasterziegel“ der Herrschaft Melk. Beschreibung entnommen aus: Denkmalpflege in Niederösterreich Lehm und Ziegel, Nr. 5/2008, Band 39, Seite 23. Ein Beitrag von Altabt Burkhard Ellegast (Stift Melk)



Eine Ausnahme bildete ein ca. 20 x 20 cm großer „Pflasterziegel“, als Feuerhemmender Abschluss auf Beschüttungen. Unterhalb einer Beschüttung befand sich meist eine Tramdecke oder auch ein „Mausboden“.


„Wickelbaum“ mit Holznägel

Eine ältere Holzkonstruktion (bevor man die Baumstämme kantig schneiden konnte) war der „Wickelbaum“. Hier wurden entrindete Rundhölzer mittels Lehm und Stroh umwickelt (daher der Name). Diese Umantelung brachte schon einen ganz geringen Feuerschutz und war auch gleichzeitig Putzträger. Die Rundstämme wurden mittels Holznägel (mittig) verbunden um so die Tragfähigkeit zu erhöhen.
Beim Umbau am Haus Pöchlarnerstraße Nr. 16 war noch so eine „Technik“ im Bereich der „alten Stube“ vorhanden. Auf dieser „Wickelbaumdecke“ befand sich ein meist um die 20 cm hoher „Feuerschutz“, der aus unbrennbarem Material (= Schutt), bestand. Darauf befanden sich Ziegelabdeckungen aus ca. 20 x 20 cm großen Ziegelformaten.

Als am 4. September 1874 beinahe die ganze Häuserzeile der heutigen Pöchlarnerstraße abbrannte (alle Dächer der Häuser waren damals nur mittels Stroh gedeckt gewesen), hielt vermutlich diese „Wickelbaumdecke“ einen Zimmerbrand ab, da man keine angekohlten Rundhölzer fand. Im Mauerwerk (beim Stemmen für ein Auflager der zu betonierenden Decke) dagegen befand sich wohl ein angekohlter Rest, vermutlich von einem Sparren.

Rechtliche Grundlage der Ziegelerzeugung, Codices Austriaci, 1715 (österreichisches Gesetzbuch)


„Ob zwar durch ein noch den 6. September 1686, ausgegangenes, und den 5. April 1690 wiederum bestätigtes Patent, bereits die Länge, Breite und Dicke aller Ziegel-Sorten ordentlich vorgeschrieben, und die schuldigste Beobachtung bey im widrigen Confiscierung der Ziegel, und nach Befund der Sache anderer schwerer Straffe, auferlegt worden; müssen Wir jedoch mit höchstem Missfallen verspüren, daß solcher heilsamen Ordnung wenig oder gar nicht nachgelebt, die Ziegel weit kleiner, auch vom schlechten steinigen Lehm verfertigt, und öffters nicht genugsam ausgebrennet, hierdurch aber das Publicum hinterführt, und diejenigen so Gebau führen mercklich übervortheilt, und in unverantwortlichen Schaden gebracht werden“.
Entnommen aus: Helga Papp, Die ehemaligen Ziegelöfen des Gerichtsbezirks Ravelsbach, in: Wiener Ziegelmuseum, Heft 9/10, 1994, Seite 159